Propaganda statt Journalismus

by Alexander Will

Bei der täglichen Arbeit kommen einem Journalisten immer wieder erstaunliche Fundstücke unter. Das betrifft insbesondere das Material von Nachrichtenagenturen. Neben den großen gibt es da auch diverse kleine, unter denen insbesondere zwei an christliche Konfessionen gebundene Unternehmen eine gewisse Prominenz genießen. Die eine ist der Evangelische Pressedienst (epd). Die andere die Katholische Nachrichtenagentur (KNA).

 Letztere lieferte nun in einem Beitrag ein schlagendes Beispiel, wie Antisemitismus noch immer als Unterströmung durch das katholische Geistesleben wabert. Heute schreibt man natürlich den Juden keine Hostienschändungen mehr zu, man prügelt aber in längeren Texten geschickt getarnt auf Israel ein.

 Am Freitag schickte KNA ein Stück von Andrea Krogmann auf den Draht. Titel: „Bomben im Heiligen Land. 2014 war kein gutes Jahr für den Nahen Osten“. Zunächst beginnt Krogmann ihren Text mit einer Verheißung: Papst Franziskus habe zu Jahresbeginn seinen Besuch in der Region angekündigt. Sein Besuch hätte „Bewegung in den Konflikt bringen“ können. Aber das wollten die bösen Juden ja nicht, und so begannen sie, den Besuch mit all seiner potentiellen Heilsausschüttung zu sabotieren:

 Je näher aber der Reisetermin rückt, desto schärfer wird in Jerusalem und anderen Landesteilen der Ton radikaler Juden gegen die einheimischen Christen.

Journalistisch fragwürdig: Diese Behauptungen werden nicht untermauert. Es gibt keine Beispiele. Kein Wort darüber, dass es sich bei den Radikalen um Minderheiten handelt, die Perspektive wird komplett verschoben. Israel steht als Land voller Extremisten und Christenfresser da. Doch nicht nur das. Die Autorin konstruiert nicht nur eine Extremismus-Legende, sie unterstellt auch eine Unterstützung des Staates für derartige Umtriebe:

Gezielt geschürte antichristliche Propaganda und die allgemeine israelische Sicherheitsparanoia dämpfen bei Jerusalems Katholiken die Vorfreude auf den Besuch.

 Einem Land, das seit Jahrzehnten unter Selbstmordattentaten, Sprengstoffanschlägen und Überfällen – kurz, dem gesamten Repertoire des Terrorismus zu leiden hat, „Sicherheitsparanoia“ vorzuwerfen, zeugt von vorsätzlicher Realitätsverweigerung. Es handelt sich dabei nicht mehr um Journalismus, sondern um platte Propaganda.

Im gleichen Ton geht es weiter. Für Krogmann ist die Sperranlage zu den Palästinensergebieten zum Beispiel

 die sichtbarste Hürde im Friedensprozess.

Auch hier bedient sich die Autorin der erprobten, klassischen Propaganda-Methode: Verschweigen des Kontext. Kein Wort darüber, daß Israel über Jahre unter Terroristen aus dem Westjordanland gelitten hat, die zum Beispiel voll besetzte Busse in die Luft gesprengt haben. Erst die „Mauer“ hat diesem Schrecken ein Ende bereitet. Derartige Zusammenhänge passen offensichtlich nicht in das Weltbild der KNA-Autorin.

 Das gilt auch für die Umstände des Gaza-Krieges im Sommer. Für Krogmann ist die Ermordung eines palästinensischen Jungen der Auslöser. Kein Wort über mehrere Tausend Raketen, die von der islamistischen Hamas seit Jahresbeginn auf Israel abgefeuert worden sind. Kein Wort von den Terrortunneln, die dazu dienen sollten, Israelis in den Gazastreifen zu verschleppen. Kein Wort über die Hamas, die angebliche „Kollaborateure“ auf offener Straße ohne Gerichtsurteil ermordet. Da ist sie wieder – die Propaganda durch Verschweigen.

 Auch die Morde an drei Israelis und einem Palästinenser differenziert  Krogmann nicht. Wieder kein Wort darüber, daß in Gaza und in der Westbank Jubelstürme ausbrachen, als die drei jungen Israelis tot aufgefunden wurden. Kein Wort darüber, daß die Hamas die Täter als Helden pries. Kein Wort darüber, daß der israelische Rechtsstaat schnell und effektiv gegen die Mörder des jungen Arabers ermittelte. Krogmann setzt gleich, was nicht gleichzusetzen ist. Sie verzerrt und betrügt damit ihre Leser.

 Doch nicht nur an dieser Stelle: Die Autorin scheut sich nicht, Verständnis für Araber zu zeigen, die Juden mit Messern töten oder sie mit Autos an Straßenbahnhaltestellen überfahren:

 Attentate sind die scheinbar zwingende Folge in der sich immer schneller drehenden Gewaltspirale

 Kein Wort über die Hetze der Palästinensischen Autonomiebehörde, über die Billigung dieser Attentate durch offizielle Stellen. Kein Wort des Mitgefühls oder des Verständnisses für die Menschen in Israel. Ach so, fast vergessen: Die haben in Krogmanns Augen ja eine „Sicherheitsparanoia“! Angesichts solcher absichtlichen Verzerrungen wiegen faktische Fehler des Stücks fast schon weniger schwer. Wenn Krogmann über eine dritte Intifada schreibt und diesen Begriff mit „Religionskrieg“ erklärt, offenbaren sich jedoch  zweifelhafte Kenntnisse über grundlegende politische Begriffe des Vorderen Orients.

 Krogmanns Stück endet schließlich mit Gutmenschen-Geschwurbel, das zu keiner Lösung beiträgt und dem Leser keinerlei Erkenntnisgewinn beschert – außer einem diffusen Gefühl, daß irgendwie die Israelis an allem Schuld sind.

 Wir haben es hier mit einem raffinierten Propagandatext zu tun. Erst auf den zweiten Blick offenbart sich nämlich der vorurteilsbehaftete „Journalismus“, der nicht nur israelfeindlich sondern auch antisemitisch ist. Es scheint, als ob beide Seiten gleich stark kritisiert werden, als ob ausgewogene Wertungen stattfinden. In Wahrheit jedoch strotz der Text von einseitigen durch Weglassen erzeugten Suggestionen.

 Daß aber die KNA-Redaktion ein solches Stück überhaupt auf den Draht gibt, legt nahe, daß derartiges Gedankengut in katholischen Kreisen noch immer verbreitet ist. Und das ist schlicht schändlich.

  Nachtrag – eine Meldung von heute:

Ein Palästinenser hat südlich von Jerusalem eine jüdische Familie mit Säure angegriffen. Die Israelis hatten ihn als Anhalter im Auto mitgenommen, als er die Frau und ihre vier kleinen Kinder mit Säure überschüttete.