Verteidigung eines bornierten Protestanten
by Alexander Will
Die Gutmenschen toben. Die Meute formiert sich – und die Glaubens-, Weltanschauungs-, und Meinungsfreiheit kommt einmal mehr unter die Räder. Der Schauplatz ist die Kanzel der evangelischen St.-Martini-Gemeinde in Bremen. Der Böse in dieser Geschichte der dortige Pfarrer Olaf Latzel.
Der hat am 18. Januar 2015 eine Predigt gehalten (Volltext), die in einem Umfeld, das sich in links-grüner Einheitsüberzeugung Eins weiß, für Aufregung (Bericht) sorgt. Dabei hat der Mann doch nichts weiter getan, als evangelische Glaubenssätze, wie sie von Calvin stammen könnten, offen auszusprechen. Das klingt dann zum Beispiel so:
Wir brauchen klare Verkündigung von Jesus Christus. Und immer wieder klar zu sagen halt, nicht: Es gibt nur einen wahren Gott. Wir können keine Gemeinsamkeit mit dem Islam haben. Das heißt nicht – das sag ich auch in aller Klarheit –, daß wir nicht den Muslimen in Liebe und Nähe begegnen zu haben.
Was daran möglicherweise „volksverhetzend“ sein soll, vermag wohl nur Gott allein zu erkennen. Vielleicht ja auch die Staatsanwaltschaft, die tatsächlich Ermittlungen gegen Latzel prüft. Es wäre im Übrigen darauf hinzuweisen, daß sogar die historisch-kritische Islamwissenschaft die Möglichkeit nicht ausschließt, daß der muslimische „Allah“ eben nicht identisch mit dem abrahamitischen Gott aus dem Alten und Neuen Testament ist. Es gibt genügend Wissenschaftler die annehmen, daß es sich vielmehr um eine synkretistische Schöpfung handelt, in die altarabische Gottheiten sowie christliche und jüdische Motive eingegangen sind. Ist das dann vielleicht auch Volksverhetzung?
Unfreundlich war Latzel im Übrigen weniger gegen Muslime – obwohl ihm das jetzt vor allem vorgeworfen wird – sondern vor allem gegen Katholiken. Aber das kennt man von Evangelen ja zur Genüge. Antikatholische Propaganda mit einem viel kritisierten Seitenhieb auf Buddhisten hört sich bei ihm so an:
Irgendwelche Amulette, wo irgendwelche Heiligen drauf sind. Heiliger Christophorus oder sonst irgendwas. Und auch wenn es die Oma und Großmutter und Urgroßmutter schon getragen hat, bringt nix. Keine Voodoo-Schlüsselanhänger, auch keine Buddha-Statue, nicht, die man sich so reinstellt, nicht, weil das ja so nett ist, wenn man so einen dicken, alten, fetten Herrn da auf dem Altar, da auf der Kommode stehen hat halt, nicht.
Buddha „fett“ zu nennen ist also so ein fieses Verbrechen, daß gutmenschelnde Bremer Pastoren gegen ihren Amtsbruder protestieren mußten? Guter Gott, lass Hirn regnen!
Latztels Antikatholizismus ist ja auch nichts Neues. Das kennt man alles aus dem Kulturkampf des 19. Jahrhunderts, als Katholiken systematisch von Protestanten als rückschrittlich, abergläubisch und ein bisschen dumm dargestellt wurden. Latzel verlängert diese Tradition seiner Kirche einfach nur ins 21. Jahrhundert:
Aber das, was da Lehre ist in der katholischen Kirche, ist ein ganz großer Mist. Zu denken, halt, wenn ich den Segen höre vom Papst, Urbi et Orbi, ob übers Radio, Fernsehen oder am Petersplatz halt, nicht, hab ich vollständigen Ablaß meiner Sünden. Nur weil ein Mensch was spricht.
Oder auch so:
Ich sage, Leute, das ist doch Irrsinn! Genauso, wie was sich in Aachen abläuft. Ich mein, die alle sieben Jahre ihre Wallfahrtsgeschichten haben, nicht, wenn dann das Kleid Marias, die Windeln Jesu, das Lendentuch Jesu ausgestellt wird, nicht, das guckt man an, hast du Ablaß deiner Sünden. Das ist falsch.
Was ist daran schlimm? Soll der Mann doch reden! Wenn ihm seine Gemeinde zuhören will, wenn seine Gemeinde diesen Unfug ertragen kann, soll er doch schwadronieren. „Geistige Brandstiftung“, die man ihm nun vorwirft, sieht jedenfalls anders aus. So lange Latzel nichts anderes will, als im eigenen Haus ein rigides Glaubenssystem durchzusetzen, mag er doch walten, wie es ihm passt. Problematischer sind dabei schon folgende Sätze, denn die könnten so interpretiert werden, als wolle der Pfarrer anderen seine Art des Glaubens aufzwingen:
Jesus allein, Jesus allein, der dreieinige Gott – das ist Christentum! Und wenn da irgendetwas anderes ist, dann muss man das reinigen. Ansonsten gibt‘s Riesenprobleme.
Oder auch:
Das ist Götzendienst. Das gehört nicht zum Christen dazu. Das muss weg.
Man könnte dies als Aufforderung zur Ausmerzung anderen Glaubens auffassen. Trotzdem ist es keinesfalls eine gesunde Art der Auseinandersetzung, jemandem den Mund zu verbieten, der etwas Unbequemes zu sagen hat. Nur inhaltliche Auseinandersetzung ist hilfreich. Und die könnte zum Beispiel so aussehen:
Latzels Predigt ist zunächst einmal ein entsetzliches Gestammel, das man sich im Grunde ersparen möchte. Der Mann ist weit entfernt von den großen Predigern der Vergangenheit. Schon allein die Füllworte sind ein Graus. So armselig wie sein Stil ist der theologische Inhalt. Das Alte Testament Eins zu Eins auf das 21. Jahrhundert zu übertragen ist – ja was? Es fällt „denkfauler Fundamentalismus“ ein. Und zwar auch noch der vulgärsten Sorte. Nachhilfe in theologischer Argumentation beim Hl. Vater emiritus wäre empfehlenswert. Zudem enthält die Predigt für den Gläubigen keine Anregungen zur Vervollkommnung der eigenen Frömmigkeit – sondern nur und ausschließlich Anweisungen zu Abgrenzung, Abschließung und Borniertheit.
Historisch benötigt Latzel ebenfalls Nachhilfe. Wenn er unterstellt, daß nur ein radikaler Monotheismus nach seiner Facon dem Menschen Heil bringe, dann vergisst er die Massaker, die bei dem Versuch, diesen protestantischen Monotheismus durchzusetzen angerichtet worden sind.
Allerdings ist Latzel in typologischer Hinsicht interessant. Er stellt nämlich den Archetyp des Evangelen vor: Sein Denken ist freudlos und menschenfeindlich. Er kennt nur Strafen und „niederhacken“. Seine religiöse Welt ist heute so grau und miesepetrig, wie einst im 17. Jahrhundert der bigotte, schwarzgewandete Protestantismus den sinnesfreudigen Katholizismus nicht das Wasser reichen konnte. Es schaudert einer gläubigen Seele, die von der Schönheit einer gotischen Marienstatue und dem Gottesdienst ihres Schöpfers erfüllt ist, angesichts der düsteren Hässlichkeit eines solchen Geistes. Kurz: Latzel öffnet das Tor zu einer Unterwelt, in der verbiestertes, bigottes Frömmlertum regiert. Wenn seine Gemeinde sich das bieten lassen will – bitte sehr!
Für alle anderen aber gelten die Worte des großartigen Katholiken Hilaire Belloc:
Wherever the Catholic sun doth shine,
There’s always laughter and good red wine.
At least I’ve always found it so.
Benedicamus Domino!