Verachtung 

by Alexander Will

Es heißt, die Größe einer Nation zeige sich daran, wie sie nach einem verlorenen Krieg ihre Soldaten behandelt. Gemessen daran sind die Deutschen eine Nation von Versager. Ich spreche vomKrieg 1914/18, und mir ist hier in Jerusalem ein schlagendes Beispiel dieses offenkundigen Mangels begegnet.

In unmittelbarer Nähe der Universität befindet sich auf dem Mt. Scopus ein britischer Militärfriedhof. Dort liegen neben Angehörigen der britischen Armee aus allen Teilen des ehemaligen Empires auch deutsche und einige wenige osmanische Soldaten. Aus Anlass des Armistice Day, also der Wiederkehr des 11. November 1918, des Tages des Waffenstillstandes am Ende des Ersten Weltkriegs, gibt es dort jedes Jahr eine Gedenkzeremonie. Noch immer liegen heute dort die Kränze, und eben diese Kränze sind Zeugen des historischen Bewusstseins (oder seine Abwesenheit), das in bestimmten Ländern dieser Welt herrscht.

 Es haben dort natürlich Briten und Angehörige von Commenwealth-Nationen ihrer Toten gedacht – und zwar gemeinsam mit den ehemaligen Gegnern. Das türkische Generalkonsulat war vertreten und sogar die österreichische Kriegsgräberfürsorge, obwohl keine Kuk.-Soldaten dort liegen. Nur eine Nation fehlt: die Deutschen. Das offizielle Deutschland verweigert seinen Soldaten die Ehre, obwohl es doch ein gemeinsames Gedenken der ehemaligen Gegner mit einem versöhnlichem Sinn ist.

Wir haben es hier mit einem dramatischen Tiefpunkt deutscher auswärtiger Gedenk- und Kulturpolitik zu tun. Wer kann schon eine Nation achten, deren offizielle Vertreter durch solche bewussten Unterlassungen auf die Gräber ihrer Soldaten spucken?

Übrigens wäre zu erwähnen, dass der Außenminister, der für derartiges ahistorisches politisches Verhalten verantwortlich ist, demnächst Bundespräsident werden soll. Meiner wird er – auch aus diesem Grund – nicht sein.