Wie Syriens „Rebellen“ uns manipulieren

by Alexander Will

Zu meinem letzten Leitartikel in der Nordwest-Zeitung haben mich einige Pöbeleien erreicht. „Putin-Versteher“ war noch milde, „Mörder-Freund“ spielte im Mittelfeld. Insbesondere ging es um folgende Passage, in der ich auf die „Rebellen“ und ihre Propaganda eingehe:

Dabei handelt es sich doch bei denen (den Rebellen) um Halsabschneider und brutalisierte Islamisten mit ausgeprägten Vernichtungsfantasien. In Europa fällt man trotzdem willig auf Bilder und Texte aus ihrem Propagandaarsenal herein, obwohl es oft keinerlei Belege für Authentizität gibt.

Der Deutsche möchte eben gern glauben. Hat er sich eine „Meinung“ gebildet – in diesem Fall über die edlen Freiheitskämpfer in Aleppo – wird er nicht gern in dieser erschüttert. Unter anderem hieß es in den Pöbeleien, ich solle doch mal nachweisen, daß es – wie ich in der Tat im Leiter unterstelle – aus den „Rebellen“-Gebieten das gibt, was man heute modisch Fake-News nennt.

Das mache ich doch gern!

Ich habe mir also einmal eine (!) Stunde Zeit genommen und bin auf die Suche gegangen. Es war nicht schwer. Hier folgen also nun fünf Beispiele von dreisten „Rebellen“-Fälschungen, auf die ich in dieser Stunde gestoßen bin. Alle Übersetzungen aus dem Arabischen stammen von mir. Sämtliche Übersetzngsfehler gehen also auf mein Konto.

Fall 1: Vietnam liegt nicht in Syrien

Am 14. Dezember wurde über das Twitterkonto eines Arabers (vermutlich aus der Golfregion) folgendes Bild verbreitet:

Der Text des Tweets lautet:

Dieses Bild erschlägt mich. Hier versteckt sich keine Katze vor dem Tod, sondern ein Mensch wie Du und ich, ein Kleinkind, das unter seinen Leuten starb. #Aleppo_vernichtet

In der Tat liegt da ein Kind im Rinnstein. Allerdings, und das weiß man, wenn man schon einmal in Aleppo war – die Bordsteine sehen dort anders aus. Dieser Widerspruch ist schnell zu klären, denn das Originalbild zeigt kein sterbendes Kind in Aleppo, sondern ein im Elend lebendes Mädchen in Vietnam. Es wurde von einer etwas desperaten vietnamesischen Bilderseite geklaut und dann bearbeitet.

Die Wirkung dieser Fälschung ist enorm – 5600 Mal wurde nur allein der Originaltweet geteilt.

Fall 2: Islamisten-Hollywood

Diese Fälschung ist besonders dreist. Hier wurden nicht etwa Bilder in einen anderen Zusammenhang gestellt oder bearbeitet – nein, hier wird fiktionaler Stoff als Realität verkauft. Wiederum auf Twitter wurde am 13. Dezember über einen arabischen Account dieses Bild geteilt. Der Text ist diesmal auf Englisch verfasst:

Hier stimmt nichts – weder das Mädchen ist echt, noch die Leichen und schon gar nicht handelt es sich um Syrien. Vielmehr sehen wir den Libanon – und ein Musikvideo. Das Bild ist einer Version eines Videos der libanesischen Sängerin Hiba Tawaji entnommen. Der Song stammt von 2014, das Video enthält modifizierte Szenen, aber der Betrug wird doch überdeutlich. Man beachte auch die Diskussion um die inzwischen schon mehfach aufgefallene Fälschung unter dem Youtube-Video:

 

Fall 3: Auch Pakistan liegt nicht in Syrien

In diesem Fall geht es darum, Menschen anzuschwärzen und zu delegitimieren, die von den „Rebellen“ nicht so viel halten und in der syrischen Zentralregierung ihr Heil suchen. Kurz nach der Rückeroberung Aleppos durch die Assad-Armee kursierte dieses Foto auf Twitter. Im Text wurde es so interpretiert, als ob ein Regierungsanhänger in Mitten von Leichen über die vollständige Eroberung der Stadt juble:

Der Text des Tweets lautet:

Für wen feiert er den Sieg … Glückwunsch an dieses Geschwür #Aleppo

Diese Fälschung ist besonders dreist, denn sie verfälscht nicht nur den Ort der Aufnahme, sondern auch die Emotion des Abgebildeten. Es handelt sich nämlich um ein Bild aus Pakistan. Am 27. Dezember 2007 wurde in der Stadt Rawlapindi die Politikerin Benazir Bhutto bei einer Wahlkampfveranstaltung von islamistischen Terrioristen getötet. Der Attentäter schoss zuerst in die Menge, dann sprengte er sich in die Luft. Das Photo zeigt einen Mann unmittelbar nach dem Anschlag. Er klagt verzweifelt über die Toten.

 

In vielen Fällen ist der Ursprung eines solchen missbrauchten Bildes aber nicht mehr nachzuvollziehen. Arabische Nachrichtenfälscher scheinen dabei eine besondere Vorliebe für bestimmte Sujets zu haben, die sie bei Bedarf für ganz unterschiedliche Gelegenheiten einsetzen.

Fall 4: Gaza oder Aleppo oder keins von beidem?

Besonders blutige Leichenbilder erfreuen sich in der islamistischen Propaganda seit Jahr und Tag besonderer Beliebtheit. Das gilt vor allem, wenn es sich um Kinder handelt. Da es aber offenbar nicht genügend echte Bilder von den entsprechenden Schauplätzen gibt, recycelt man eben, was man hat. Wie in diesem Beispiel. Auf Twitter verbreitet am 13. Dezember und mehr als 2000 Mal geteilt, ist völlig unklar, wo dieses Bild herkommt, zudem scheint Fotoshop eine nicht unwesentliche Rolle gespielt zu haben (trotzdem Unkenntlichmachung von mir):

Der Text lautet:

Keine Entschuldigung für die Hässlichkeit dieses Bildes #SaveAleppo #Aleppo_vergewaltigt #Aleppo_ausgerottet

Mit Sicherheit stammt auch dieses Photo nicht aus dem Aleppo des Jahres 2016, taucht es doch schon ein Jahr zuvor auf Twitter auf. Damals verbreitete es ein antiisraelischer Account, der behauptete, es sei in Gaza aufgenommen und zeige Folgen eines israelischen Luftnagriffs von 2014. Ob das stimmt, ist mindestens stark zweifelhaft.

Fall 5: Vielleicht Syrien, sicher nicht Aleppo 2016 und schon gar nicht Gaza

Ähnlich liegt dieser Fall – wieder zur Hochzeit der Kämpfe um Aleppo am 13. Dezember über Twitter verbreitet, und wieder fleißg geteilt. Hier könnte es sich sogar um ein Bild aus Syrien handeln. Das legt der weiße Helm des Mannes rechts nahe, der zur „Hilfsorganisation“ der „Weißhelme“ gehören könnte:

Der Text lautet:

Oh Gott, mit Deiner Ehre, Deiner hohen Majestät, Deiner Macht und Stärke, oh Gott, bitte hilf unseren Brüdern in Aleppo #Aleppo_ausgerottet

Das gleiche Bild kursiert mindestens schon seit Januar 2015 – und zwar wieder einmal als angebliches Dokument aus Gaza. Auch die rumänische Zeitung „Telegraf“ brachte es damals unter der Überschrift „Wahllose Angriffe der israelischen Armee in Gaza“:

Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen.

Fazit: Wer in einem Bürgerkrieg irgendetwas unabhängig nicht Bestätigtes glaubt, steckt schon bis zur Halskrause im „Postfaktischen“, denn er  hat sich gegen alle Logik dazu entschieden, es glauben zu wollen. Das Gefühl hat dann den Verstand besiegt.