Deutscher Trump

by Alexander Will

Wie sehr die Debattenkultur in Deutschland beim Teufel ist, zeigt nichts mehr als der hasserfüllt ausgetragene Streit um die Bewertung des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Dabei ist zwar noch keine Ende abzusehen – doch eines ist bereits klar: Es geht nicht um die Frage, ob der Mann nun ein guter oder schlechter Präsident ist. Es geht nicht um die Frage, welche geopolitischen Veränderungen seine Administration bewirken wird und ob diese wünschenswert sind. Und es geht schon gar nicht um die Frage nach politischer Moral.

Hier geht es schlicht und einfach um Projektionen.

Die deutschen politischen Lager projizieren ihre Befindlichkeiten auf die Figur des Amerikaners Trump, die damit wahlweise zur Ausgeburt des absolut Bösen oder zum Rächer der Stimmlosen wird. Beides ist falsch. Beides zeigt die erbärmliche Unfähigkeit vor allem der deutschen veröffentlichten Meinung aber auch des breiten Publikums, sine ira et studio ein politisches Großthema zu behandeln, das facettenreich daher kommt und eben nicht mit entleerten Schlagworten zu beschreiben und zu beurteilen ist.

Da sind auf der einen Seite die Trump-Fanboys. Sie sehen den Mann tatsächlich als jemanden, der gegen das links-liberale Establishment vorgeht, als jemanden, der den Ungehörten eine Stimme verleiht. Wer das nicht teilt, wer etwa darauf hinweist, dass Trump selbst Vertreter eines nicht minder zweifelhaften Establishments ist, dass er genuin konservativen Anliegen mehr schadet als nützt, der muss sich auf Hasstiraden einstellen, die sich gewaschen haben. Wolfgang Herles beschrieb das jüngst auf „Tichys Einblicke“ eindrucksvoll.

Was hier passiert, ist ziemlich klar: In Deutschland sind seit etwa zwei Jahrzehnten politisch Konservative Schritt für Schritt marginalisiert worden. Die CDU hat sich zu einer zweiten sozialdemokratischen Partei entwickelt und ihren konservativen Flügel amputiert. Damit sind jene Kreise, die sie noch in frühen Kohl-Zeiten zu binden wusste, politisch heimatlos geworden. Das hat nicht nur praktisch-politische Bedeutung, sondern auch psychologische Folgen.

Wer sich gelegentlich in solchen Kreisen bewegt kennt das: Es ist das Leiden am Nicht-Gehört-Werden. Es ist die (berechtigte) Wut auf die in Deutschland so verbreitete Diffamierung des Konservativen als rechtsradikal. Es ist das Gefühl des Ausschlusses aus der Debatte. Das alles kombiniert, führt zu irrationalen Reaktionen, wie eben zu jener, die mit dem neuen US-Präsidenten zu tun hat und die all diese Affekte auf den US-Präsidenten projiziert und ihn zu einer Art Erlöserfigur macht. Da zeigt es mal einer der vermeintlich „unseren“ den anderen, da erfahren „unsere“ politischen Leiden endlich Linderung. Genau das führt zu jener Solidarisierung, die am Ende doch nur ein Trugschluss ist. Natürlich ist Trump keiner der „unseren“. Trump ist ein politischer Desperado, ein Glücksspieler, ganz sicher kein Konservativer und vor allem kein Politiker, der einem weltweiten liberal-konservativen „Turn“ nützlich sein könnte. Im Gegenteil. Dieser Mensch macht es der Linken noch viel leichter, konservative politische Inhalte zu diffamieren.

Die Verteufelung konkurrierender politischer Konzepte und Meinungen ist auf der Linken ohnehin zur Kunstform geworden. Das Zentralorgan der politisch Rechtgeleiteten, der „Spiegel“ trieb das jüngst mit diesen Titelbildern auf die Spitze:

 

 

 

 

 

Beiden gemein ist die Stilisierung Trumps zum gesichtslosen, entmenschten Weltzerstörer und absolut Bösen. In dieser Hinsicht hat sich zwar noch nicht der „Spiegel“ zu Hitler-Vergleichen hinreißen lassen – in den sozialen Netzen sind sie jedoch allgegenwärtig. Derartige Vergleiche haben zunächst etwas Infantiles, weil sie dokumentieren, dass die Fähigkeit zur Beurteilung einer bestimmten, einmaligen historischen Situation nicht gegeben ist. Sie sind zudem ahistorisch, verharmlosen den Nationalsozialismus und werden der realen Lage in den USA nicht gerecht. Dort funktioniert nämlich zum Beispiel die Gewaltenteilung. Das Einreisedekret gegen Menschen aus sieben muslimischen Staaten wurde so etwa von Gerichten aufgehoben. Derartige Korrekturen gab es 1933 in Deutschland eben nicht.

Auch die Linke und der restliche politische Mainstream in Deutschland projiziert. Aus Angst vor außerparlamentarischen, diffusen und unorganisierten Bewegungen, die ihre politischen Anliegen – zum Beispiel in Sachen Einwanderung – nicht mehr berücksichtigt, ja nicht einmal mehr ernst genommen empfinden, sowie der AfD wird die Figur Trump mit allem denkbar Negativen aufgeladen. Damit entsteht ein Schreckgespenst, das von den vermeintlichen Verheerungen alternativer politischer Entwürfe künden und sie delegitimieren soll. Darüber hinaus können bestimmte Kreise der Linken hier die Traditionslinie des Antiamerikanismus verlängern. Was der US-Präsident in Amerika treibt, ist dabei im Grunde völlig Wurst. Es geht um die Funktion der Figur „Trump“ für die politische Auseinandersetzung in diesem Land.

Dabei bleibt naturgemäß alle Differenzierung auf der Strecke – Lüge und selektive Wahrnehmungen kriechen hingegen aus der finstersten Ecke der politischen Debatte. Deren Name: Propaganda.

Beispiele: Was anders ist es denn, wenn da steif und fest behauptet wird, es handle sich bei dem von Trump unterzeichneten Dekret um einen „Muslim-Ban“? Den hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Es wurde ein Einreiseverbot für Bürger von sieben durch den Islam geprägten Ländern verfügt, die gleichzeitig Terroristen-Hochburgen sind. Insgesamt gibt es übrigens auf der Welt gut 60 islamische Länder. Verschwiegen wurde auch, wessen Geistes Kind eine Hauptorganisatorin der Anti-Trump-Demonstration von Washington ist. Bei Linda Sarsour handelt es sich um eine stramme Islamistin, die sich ein islamisches Rechtssystem mitsamt brutaler Todesstrafen wünscht und Kritikerinnen, die Opfer weiblicher Genitalverstümmelung sind (hier Ayaan Hirsi Ali), noch mehr davon an den Hals wünscht (vgl. die Tweets unten).

Das alles paart sich in der Praxis mit der Unwilligkeit oder Unfähigkeit, abweichende Ansichten wenigstens zu Kenntnis zu nehmen und das Fakten-Fundament der eigenen Haltung gelegentlich einer Kontrolle zu unterziehen. In vielen Fällen werden da „feindliche“ Texte nicht einmal mehr bis zum Ende gelesen, sondern im Kopf mit Inhalten komplettiert, von denen man meint (oder sich wünscht), sie könnten in dem Text enthalten sein.

Dieses Phänomen wurde mir jüngst angesichts der Reaktionen auf diesen Kommentar in der Nordwest-Zeitung deutlich. Da gab es tatsächlich Leser, die daraus eine Unterstützung für Donald Trump zu lesen meinten. Dabei ging es doch um die Rezeption des neuen US-Präsidenten in Deutschland. In keinem einzigen Fall gingen meine Kritiker auf den eigentlichen Inhalt des Kommentares ein. Vielmehr wurden vermeintliche Aussagen konstruiert, dem Autor zugeschrieben und gleichzeitig sein Ausschluss aus dem „demokratischen Konsens“ postuliert. All das kommt natürlich nicht ohne Bezüge zum Nationalsozialismus oder auch persönliche Beleidigungen aus. In keinem Fall ist ein Dialog gewünscht, sondern nur der Ausschluss des „Gegners“ mit der „falschen Meinung“ aus dem Diskurs.

Dabei spiegelt dieser Fall nur ein allgemeines deutsches Syndrom. Diesem Land ist die Fähigkeit abhandengekommen, divergierende politische Haltungen zu versöhnen, sie überhaupt erst einmal zu Kenntnis nehmen zu wollen und danach darüber nachzudenken. Stattdessen grassiert Ausschließeritis, die sich darin gefällt, Grenzen des Meinbaren zu ziehen und Kategorien dafür festzulegen. Der Streit um die Figur Trump gehört genau hier hin. Wer differenzieren will, findet sich schnell einer Behandlung mit der Nazi-Keule unterzogen.

Es bleibt nur zu hoffen, dass die freien Geister in diesem Land sich nicht einschüchtern lassen. Im Konkreten: Den Fall Trump differenziert und fern jeder Ideologie zu behandeln und zu sagen, was ist. Im Generellen: Dem Hass der Dialogverweigerer, Betonköpfe und Ideologen keinen Zentimeter nachzugeben. Sonst wird dieses Land wirklich wieder zur geistigen Wüste, die es schon zwei Mal war.