Medien für die Ewigkeit? – Ein Beef mit dem NDR

by Alexander Will

Ist jemand unter Druck, dann reagiert er in der Regel dünnhäutig auf Kritik. Das gilt auch für Institutionen wie öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Auf einen nicht schmeichelhaften Text über den öffentlich-rechtlichen Dschungel, den ich jüngst in der NWZ veröffentlich hatte, fühlte sich die NDR-Presseabteilung bemüßigt zu reagieren.

Das geschah in fünf ,“Richtigstellungen“, die hier zu lesen sind, allerdings nichts wirklich „richtig stellen“. Doch auf zu den Einzelheiten!

In meinem NWZ-Text  heißt es:

Es (sinkende gesellschaftliche Akzeptanz) liegt auch an den üppigen Betriebsrenten bei der ARD, die zu einem Finanzloch führten, das nun der Gebührenzahler stopfen soll.

Dazu schreibt mir NDR-Sprecher Martin Gartzke:

Für die Betriebsrenten haben ARD und Deutschlandradio schon 2017 einen neuen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften geschlossen. Er entlastet die Senderbudgets allein bis 2024 um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag, vor allem bei den Rückstellungen – erfreulich für die Beitragszahler. Die Altersversorgung macht in der ARD insgesamt rund 6 Prozent der Gesamtaufwendungen aus (Beitragszeitraum 2017 bis 2020).

Sechs Prozent – die Gebühreneinnahmen der öffentlichen-Rechtlichen liegen bei rund acht Milliarden – das ist ein ordentlicher Batzen! Wer das versucht, klein zu reden, bedient sich der fatalen Peanuts-Argumentation der Deutschen Bank. Und dann ist da noch diese neuere Entwicklung: Die Öffis werden wohl das Eigenkapital eines ihrer Rententräger erhöhen müsen. Die Baden-Badener Pensionskasse ist in Schieflage. Kosten: 50 Millionen. Zudem ist die Rede von erhöhten Zuschüssen der Anstalten, die wohl eine dreistellige Millionensumme im Jahr kosten werden. Wer bezahlt das wohl?  (Details nachzulesen Bams, 16. Dezember 2018, S. 45).

In meinem Text heißt es weiter:

Und es (die sinkende Akzeptanz) liegt nicht zuletzt an Fantasiehonoraren für Stars und Sternchen sowie den irrsinnigen Ausgaben für Sportrechte.

Dazu schreibt der NDR:

Die Gagen von Schauspielern und Schauspielerinnen, die Honorare für Sport-Experten oder für die Moderation von Shows sind Marktpreise. Wer als Sender im Markt bestehen will, muss sie akzeptieren – ob öffentlich-rechtlich oder kommerziell.

Hier nun zeigt sich fatale Selbstzentriertheit. Der NDR kommt gar nicht auf die Idee, dass es besser sein könnte, bei diesem Spiel nicht mitzumachen und eben nicht das Geld der Gebührenzahler für solche Einkäufe zu verschwenden. Und: Mit seiner massiven Finanzmacht und ihrer Nachfrage tragen die Öffis dazu bei, dass sich die Marktpreise hier nur in eine Richtung entwickeln: nach oben. Darüber hinaus müssen diese Anstalten ja nicht „am Markt mithalten“. Sie sind durch ihre gesicherten Finanzen gegenüber den Privaten ohnehin in einer privilegierten Position.

In meinem Text heißt es weiter:

Diese Fantasien (von der Weiterentwicklung der Öffis) enden nicht bei der Finanzierung, sondern sie umfassen auch die Erweiterung der Aufgaben.

Dazu schreibt der NDR:

In Hannover ging es darum, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Zukunft aussehen könnte. Nicht Ausweitung, sondern Veränderung der Angebote war das Thema. Das bedeutet: Wenn Neues hinzukommt, muss Altes auf den Prüfstand. Ein Beispiel dafür aus der jüngeren Zeit ist „funk“. Für das Online-Jugendangebot haben ARD und ZDF 2016 zwei TV-Digitalprogramme abgeschaltet, Eins Plus und ZDF Kultur.

Hier bringt Martin Gartzke nun ein Beispiel aus der Vergangenheit um Handeln in der Zukunft zu belegen. Das natürlich kann (und wird wohl in diesem Fall) ganz anders aussehen. In Hannover wurde ja explizit nicht darüber geredet, wie und wo man den öffentlich-rechtlichen Dschungel lichten könnte, sondern eben über neue Aufgaben – wie es exemplarisch in meinem Text dargestellt ist.

In dem schreibe ich über die Idee des NDR-Intendanten, Lutz Marmor, die Rundfunkgebühren jedes Jahr automatisch in der Höhe der Inflationsrate zu erhöhen und kritisiere das. Auf meine Argumente geht Gartzke nicht ein, sondern schreibt mir das:

Den Sendern geht es nicht anders als anderen Unternehmen: Die Preise, die sie zahlen müssen, steigen. Das betrifft z. B. Lizenzen für Sport und Spielfilme und Verbreitungskosten sowie die mit den Gewerkschaften ausgehandelten Steigerungen der Gehälter. Deshalb hat NDR Intendant Lutz Marmor bei dem Symposium für eine moderate Anpassung des Rundfunkbeitrags geworben, und zwar in Höhe der Inflationsrate. Die beträgt derzeit jährlich etwa 1,9 Prozent, geringer als die medienspezifische Teuerungsrate.

Der NDR drückt sich da unter anderem, die Frage zu beantworten, warum er privilegierter Nutznießer eines solchen Mechanismus sein soll, gewöhnliche Arbeitnehmer aber nicht. „Andere Unternehmen“, wie etwa die privaten der Medienbranche, müssen übrigens steigende Preise über höhere Erlöse kompensieren, während sich die Öffis anstrengungslos beim Gebührenzahler zu bedienen versuchen. Aufschlußreich sind zudem die letzten fünf Worte. Die legen nahe, man sieht beim NDR eigentlich sogar einen Anspruch auf noch mehr Geld – wegen der „medienspezifischen Teuerungsrate“, die man durch Nachfrage bei Sportrechten und Star-Moderatoren selbst mit zu verantworten hat.

Schließlich haut mir Gartzke noch eine Umfrage um die Ohren:

Die Zustimmungswerte für den NDR sind anhaltend hoch. …  70 Prozent der Norddeutschen sagen, der NDR ist sein Geld wert. … Erosion sieht anders aus.

Nun wissen wir ja zum einen alle, wie solche Umfragen entstehen.  Darauf wurde bei dem Symposium in Hannover auch hingewiesen. Zum anderen hat auch der NDR das Recht, eine zunehmend Öffi-kritische Gesellschaft zu ignorieren und sich die Welt schön zu reden. Da wird vor Gerichten (bisher erfolglos) geklagt, da formieren sich Gruppen gegen die Gebührenpflicht, und die Kritik an den Inhalten der Sender wird immer lauter.  Die Konsequenzen solcher Ignoranz folgen vielleicht nicht sofort – aber mit Sicherheit irgendwann. Darauf hatte in Hannover auch der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler hingewiesen. Das Beharren auf vermeintlich sicherer Rechtslage sichere eben nicht die ewige gesellschaftliche Akzeptanz des Systems.