Paskalwen

Gelegentliche Texte

Deutsches Pandämonium: Im Moment kein Wort zu Thüringen

Schon heute Morgen wurde ich mehrfach gefragt, warum ich denn nichts zu Thüringen schreiben würde. Das wäre doch ein so wichtiger Vorgang.

Das stimmt.

Aber im Moment – ich weiß nicht, wie lange dieser Moment andauert – werde ich tatsächlich keinen Text zu diesen Vorgängen schreiben. Angesichts des hysterisch tobenden Pandämoniums, das sich deutsche öffentliche Meinung schimpft, ist nämlich jeder Buchstabe ein verschwendeter.

Angesichts (aber nicht nur):

– gänzlich ahistorischer Buchenwald- und Auschwitz-Insinuationen an die Adresse von FDP, CDU und einzelner Politiker

– von Gerede über „Dammbruch“ und dem „Ende der Demokratie“, weil ein FDP-Mann zum Ministerpräsident gewählt wurde

– historisch unhaltbarer aber weithin unwidersprochenen gebliebener Vergleiche der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933

– sexuell konnotierter Ad-Hominem-Angriffe aus der SPD-Bundestagsfraktion

– einer rasend gewordenen Öffentlichkeit, für die in weiten Teilen jede vom Mainstream-Narrativ abweichende Ansicht und Interpretation „Nazi“ ist und folglich diejenigen, die sie vorbringen, zu menschlichem Abfall degradiert werden

und

– eines ahistorischen, opferignorante aber dafür umso intensiver laufenden Weißwasch-Programmes für die umbenannte SED

muss man heute vielmehr über den Zustand der sich demokratisch nennenden Öffentlichkeit, der Parteien sowie Inhalt und Formen der Debatte nachdenken.

Heute  zur Sache zu schreiben, einzuordnen, zu interpretieren, zu analysieren und zu kommentieren ist ob des Zustandes der deutschen Öffentlichkeit verschwendeter Atem.

Klimafaschismus

Was da als „Extinction Rebellion“ in der vergangenen Woche durch Berlin und Europa tobte, kommt nicht von ungefähr: Es basiert auf Klima-Hysterie, die mit den inzwischen fast schon sprichwörtlichen Worten Greta Thunbergs ihren Anfang nahm: „Ich will, dass ihr in Panik geratet!“ Die sektenartige „Extinction Rebellion“ ist Ausdruck der Radikalisierung der Klimafanatiker, und sie ist Fleisch vom Fleische der „For Future“-Leute. Derartige Radikalisierung blüht irgendwann fast jeder politischen Massen-Bewegung. Das war  1968 so. Das ist heute so.

Betrachtet man die Bilder, dann  nimmt bei den „Ausrottungsrebellen“ die Hysterie bereits Formen religiösen Wahns an, ganz ähnlich wie er bei Figuren zu beobachten war, die früher mit „Das Ende ist nah“-Schildern durch Fußgängerzonen wankten. Das erinnert auch an mittelalterliche Erregungen, wenn ein Komet am Himmel erschien, der angeblich den Weltuntergang ankündigte. In jedem Fall ist die Ratio ausgeschaltet. Es handelt sich um einen Rückfall hinter die Aufklärung, um Hingabe an angstgetriebene Leidenschaften.

Es gibt schließlich eine apokalyptische Tradition, die sich seit mehr als 2000 Jahren durch alle monotheistischen Religionen zieht. Da wird heute mit der Klima-Frage vielleicht sogar ein anthropologisches Grundbedürfnis bedient, und es paart sich wie einst Angst vor dem Untergang mit schwärmerischer Heilserwartung – etwa wie in den Geißlerzügen, dem Kinderkreuzzug oder bei den Zeugen Jehovas, die für 1975 den Untergang der Welt vorausgesagt hatten.

Leider waren das aber nicht alles harmlose Spinner. Fanatiker wie Thomas Müntzer oder die Führer der Täufer in Münster duldeten in ihrem religiösen Wahn keine Abweichler. Das kostete Blut. Gewalt und Zwang waren nur allzu oft Mittel der Wahl, um den Zusammenhalt apokalyptischer Gemeinschaften zu sichern und ihre Ideologien zu verbreiten. Mit Zwang sollte eine vermeintlich paradiesische Zukunft gesichert werden, denn die war nur erreichbar, wenn der Einzelne ganz in der Gemeinschaft aufgeht und ihre Regeln widerspruchslos befolgt.

Die „Ausrottungsrebellen“ pflegen nun nicht nur ausgeprägte Apokalypse-Angst und Heilserwartung, sondern auch Stil und Form, auf die sogar Benito Mussolini neidisch geworden wäre. Da fehlt weder das eingängige Symbol noch eine avantgardistische Uniformierung. Das Ganze ist radikal, antidemokratisch, durchaus sektenhaft und will nichts weniger als einen Totalumsturz der existierenden Ordnung.

Der Führer der Truppe, der gescheiterter Bio-Bauer Roger Hallam, macht nun alle außer den Sekten-Mitgliedern für sein Scheitern verantwortlich, indem er es auf den „Klimawandel“ schiebt. Klar – es sind immer die anderen Schuld. Solche Leute, gescheiterte Maler oder eben Biobauern, gebärden sich offenkundig gern radikal und menschenverachtend. Hallam: „Menschen werden getötet werden. Das ist Teil des Prozesses des politischen Wandels“, sagte er der BBC. Sein Thema sei „größer als die Demokratie“. So reden Phantasten, die von Diktaturen träumen.

Angeblich sind die Aktionen der „Rebellen“ gewaltfrei – aber natürlich sind auch Blockaden, die Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit behindern, Gewalt. Angesichts der Mittel und Ziele dieser Leute gilt ohne Zweifel: Wer sie verteidigt – sie genießen ja bis hinein ins bürgerlich-linke Juste Milieu Sympathien – hat sich von der Demokratie verabschiedet.

Traurig aber wahr: Es gilt offenkundig zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die Freiheit des Einzelnen gegen eine aufgeputschte, hyperventilierende und dabei durch Entschlossenheit, Fanatisierung und Kompromisslosigkeit gefährliche Masse zu schützen.