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Gelegentliche Texte

Worte wie Projektile (7) – Toleranz

So viel Konflikt war selten: In Deutschland bilden sich politische Fronten, wie noch nie nach 1945. Carl Schmitt würde sich bestätigt fühlen – die Freund-Feind-Kategorien ist jetzt Maßstab alles Redens und Handelns. Es geht nicht darum, den anderen zu überzeugen. Es geht darum, ihn zum Schweigen zu bringen. Hier werden Begriffe zu Waffen. Scharf aufgeladen sind sie die tödlichen Projektile an der Front des geistigen Bürgerkriegs. Heute: Toleranz

Das schöne Wort Toleranz, das so eine große Vergangenheit in Europa hat, ist heute bedauernswertem und schamlosem Missbrauch anheim gefallen. Das lateinische „tolerare“ weist den Weg, denn es bedeutet schlicht, etwas zu erdulden oder zu ertragen. In der Biologie beschreibt das Wort die Fähigkeit eines Organismus‘, Umweltfaktoren in einer bestimmten Intensität auszuhalten, ohne zugrunde zu gehen. Kakerlaken haben etwa eine hohe Toleranz gegenüber radioaktiver Strahlung, die Toleranz des Menschen ist vergleichsweise gering.

Genau so wurde das Wort seit der Aufklärung in religiösen, politische und gesellschaftlichen Debatten auch benutzt: als der bewusst geübte Akt, fremde und abweichende Handlungen gewähren zu lassen, so lange sie die eigenen Überzeugungen und Lebensform nicht bedrohen. Das galt zunächst für die Religion, man erinnere sich an die Toleranzedikte für das reformierte Christentum in der Renaissance. Religiöse Toleranz ist eine der preußischen Tugenden. Politische Toleranz, das Ertragen widersprechender politischer Ansichten, ist heute Grundbedingung jedes nichtrepressiven, jedes einigermaßen freiheitlichen Systems.

Nur – es geht eben um Toleranz. Also um das Ertragen fremder Ansichten und Meinungen, die man nicht teilt oder sogar ablehnt. Es geht ausdrücklich nicht darum, diese zu akzeptieren, also bewusst zu fördern, sich zu eigen zu machen oder gut zu heißen. Genau in diesem Sinn wird in Deutschland heute jedoch „Toleranz“ benutzt. Ist da etwa auf politischer Ebene von „Toleranz gegenüber dem Islam“ die Rede, kann man davon ausgehen, dass es eben nicht nur darum geht, Moslems irgendwo in Ruhe beten zu lassen – in der Regel steckt dahinter eine wie auch immer geartete Förderung. Ablehnung von islamischen Feiertagen in Deutschland oder des Baus einer Moschee mit Minarett wird dabei gern als Intoleranz hingestellt – nur  ist es das eben nicht, sondern schlicht  eine Verweigerung, sich etwas zu eigen zu machen. So etwas überspannt den Begriff Toleranz weit.

Schaut man sich exemplarisch einmal die verschiedenen, staatlich geförderten „Toleranz-Seiten“ im Netz an („Tolerantes Sachsen“, „Tolerantes Brandenburg“), wird schnell klar, dass es hier natürlich nicht darum geht, den Sachsen oder Brandenburgern das Ertragen von Andersartigkeit zu vermitteln. Darin sind die Deutschen ziemlich gut. Ziel ist Erziehung zu Akzeptanz  – nur wird das eben nicht gesagt.

Dabei hat jeder Mensch von Natur aus das Recht, andere Ansichten, religiöse Bekenntnisse, Lebensstile oder politische Überzeugungen abzulehnen oder zu kritisieren. Es gibt da keinen Naturschutz für irgendjemanden. Das Ertragen solcher Andersartigkeiten, ihr Tolerieren, ihr nicht gewaltsames Unterbinden, zeichnet hingegen den aufgeklärten Menschen aus. Nicht mehr und nicht weniger.

Merke: Wenn heute von Toleranz die Rede ist, dann wird dieses Wort höchst wahrscheinlich im Sinne von Akzeptanz benutzt. Wer lauthals Toleranz fordert, will zudem in der Regel Kritik an fremden Überzeugungen unterbinden. Der Ruf nach Toleranz maskiert gewöhnlich den Ruf nach Annahme oder Förderung einer bestimmten Einstellung, Überzeugung und ihrer praktischen Ausübungen. Andererseits ist man insbesondere auf der politischen Linken und Rechten immer weniger bereit, echte politische Toleranz gegenüber abweichenden Ansichten und Konzepten zu üben. Man vermeide daher den Gebrauch dieses Begriffes und enttarne das darin verborgene Verlangen nach Unterstützung für etwas, das man ablehnt aber zu dulden bereit ist.

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Worte wie Projektile (6) – Umverteilung

So viel Konflikt war selten: In Deutschland bilden sich politische Fronten, wie noch nie nach 1945. Carl Schmitt würde sich bestätigt fühlen – die Freund-Feind-Kategorien ist jetzt Maßstab alles Redens und Handelns. Es geht nicht darum, den anderen zu überzeugen. Es geht darum, ihn zum Schweigen zu bringen. Hier werden Begriffe zu Waffen. Scharf aufgeladen sind sie die tödlichen Projektile an der Front des geistigen Bürgerkriegs. Heute: ,,Umverteilung“

„Umverteilung“ ist im Grunde ein neutraler Begriff. Er bezeichnet ja nur einen Vorgang: Materielle Güter werden von einem Besitzer zum anderen transferiert. Es kann  Umverteilung von Arm zu Reich geben – ebenso wie von Reich zu Arm. Allerdings schwingt im Begriff Gewalt mit. „Umverteilung“ ist jedenfalls ein aktiver Prozess, der gegen den Willen dessen stattfindet, dem dabei etwas weggenommen wird.

In Sozialstaats-Deutschland ist „Umverteilung“ allerdings zu einem ausschließlich positiv besetzten Begriff geworden. Längst schon hat sich in diesem Land eine Vorstellung eingebürgert, in der wohlhabende Menschen als verdächtig, moralisch fragwürdig und in jedem Fall legitime Quelle von Umverteilung betrachtet werden. Der „Reiche“ ist die Melkkuh.

Die Leistung des Einzelnen, die notwendig war, um über einen bestimmten Besitz zu verfügen, das Talent, die Mühe und die Beharrlichkeit spielen in dieser Sicht keine Rolle. Großer Besitz ist darin per se verwerflich. Doch konzentriert sich der Umverteilungsfuror in Deutschland eben nicht nur auf Super-Reiche. „Reich“ ist man in Deutschland schon, bezieht man ein Einkommen von etwas mehr als 100 000 Euro im Jahr, und damit ist man dann auch einer derjenigen, die zwecks Umverteilung bluten müssen.

Nutznießer sind in der Regel diejenigen, denen zielstrebige Arbeit kein vertrauter Begriff ist, die sich durch eigenes Handeln in schwierige Situationen gebracht haben oder die sich – angezogen von der Umverteilungskultur und den damit einhergehenden weitgehenden und leicht zugänglichen Sozialleistungen – nach Deutschland begeben haben.

Weil aber Umverteilung immer mit Zwang und Gewaltdrohungen verbunden ist – gibst du nicht ab, sperren wir dich ein – hat sie eben nichts mit Robin-Hood-artiger Herstellung von „Gerechtigkeit“ zu tun. In Wirklichkeit ist sie ein Ausdruck moderner Sklaverei. Besitz ist in der Regel Resultat von Arbeit. Und ja – auch Investitionen an der Börse sind Arbeit. Wem aber der Ertrag seiner Arbeit abgenommen wird, der arbeitet umsonst für andere. Wer unter Zwang für andere arbeitet, ist, mindestens zum Teil, Sklave.

Merke: „Umverteilung“ ist im Grunde Raub. Wie er heute gebraucht wird, ist der Begriff daher weder neutral noch positiv zu verstehen. Wer in Deutschland nach Umverteilung schreit, ruft im Grunde zur Plünderung seiner Mitmenschen auf. Darauf hinzuweisen, ist allerdings zwecklos. Der deutsche Neid hat die gesetzlich getarnte Plünderung des „Reichen“  zum  erstrebenswerten Zustand werden lassen. Man suche also besser nach Wegen, sich dieser Ausplünderung zu entziehen.

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