Subjektive Porträts aus Israel (1) – Ein deutscher Propst erzählt Geschichten
by Alexander Will
Weil mir in Israel jede Menge interessanter Leute über den Weg laufen, habe ich mich entschlossen, einige zu porträtieren. Diese Porträts sind absolut subjektiv und bemühen sich auch nicht um „Objektivität“.
Schwarzer Gehrock, großes Kreuz an silberner Kette und eine Art römischer Kragen: So habe ich Wolfgang Schmidt, den Pfarrer der Erlöserkirche mitten in der Jerusalemer Altstadt zum ersten Mal während einer Andacht erlebt. Ist das die Rekatholisierung der evangelischen Kirche? Wohl nicht, und wenn, dann im besten Falle äußerlich.
Während man nämlich in der Jerusalemer Dormitio-Kirche, die von deutschen Katholiken getragen wird, in Andachten und Gottesdiensten alles Politische vermeidet und im besten Sinne spirituell bleibt, können die deutschen Protestanten auch in der Kirche nicht über den Schatten des Politischen springen. Und so geht es auch in dieser Andacht irgendwann um den israelisch-arabischen Konflikt, und Schmidt gelingt es nicht, sich und seinem Publikum die hilflosen Friedensappelle zu ersparen, die unter deutschen Kirchendächern immer auch ein gerütteltes Maß an Selbstgerechtigkeit versprühen. Das geht nach dem Motto: Wenn alle so pazifistisch und friedfertig wären wie wir Deutschen, dann würde überall der ewige Frieden ausbrechen. Dabei schwingt an diesem Ort und in diesem Land aber immer mit: Wenn diese verflixten Juden, diese ewigen Unruhestifter, nicht wären, dann herrschte hier längst Ruhe.
Dabei ist der deutsche Pfarrer Wolfgang Schmidt im Grunde ein freundlicher Mann, der eine nicht eben kleine Aufgabe im Heiligen Land zu versehen hat. Seit 2012 ist er hier Probst und damit für die ausgedehnte Tätigkeit der evangelischen Kirche zuständig. Gemeindebetreuung in Jerusalem und Amman, Gottesdienste, der Betrieb des Gästehauses – da kommt einiges zusammen. Wer sehen will, was in Israel an Deutschem Evangelischem passiert, der möge sich hier in aller Ausführlichkeit informieren.
Doch Schmidt ist auch der oberste Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Heiligen Land. Dort interessiert man sich sehr für Israel und die Juden, so sehr, dass die EKD 2012 eine „Orientierungshilfe“ für den Umgang mit Israel herausgegeben hat (PDF hier). Titel: „Gelobtes Land? Land und Staat Israel in der Diskussion“. Dort ist viel von den Juden die Rede und auch viel davon, wie sich der Begriff „gelobtes Land“ entwickelt hat, was Luther dazu meinte und von anderen klugen Erwägungen mehr. Was aber vergessen wurde, ist der Hinweis auf die eigene antisemitische Tradition der evangelischen Kirche – und auch die wahrhaft unappetitlichen Tiraden Luthers in dieser Frage.
Weil man aber derart historisch vergesslich ist, kommt die EKD dann wohl auch zu folgender Aussage:
Der Konflikt um die Gründung des Staates Israel führte für die im damaligen Mandatsgebiet »Palästina« lebende arabische Bevölkerung zu einer geschichtlichen Katastrophe.
Moment! Da war doch was? Ach so! Die Araber hatten versucht, die Juden „ins Meer zurückzutreiben“. 1948, 1967, 1973. Terror gab’s auch noch ohne Ende. Nicht für die EKD. Die versteigt sich in dem Papier lieber zu diesem Satz:
Die Existenz eines jüdischen Staates macht es der großen Mehrheit von Juden auch heute unmöglich, ihr Jüdisch-Sein zu ignorieren.
Wenn es Israel nicht gäbe, hätten sich laut EKD die Juden also überall assimiliert. Böses Israel!
Insgesamt ist jedoch schon die reine Existenz das Papiers erstaunlich. Letztlich geht es nämlich darum, ob es Israel geben „darf“, ob der Staat ein „Recht“ auf Existenz hat. Dabei spielt die Antwort im Grunde keine Rolle, schon die Frage ist irre. Man stelle sich vor, die EKD würde sie einmal in Bezug auf ihr eigenes Land stellen.
Wer solches Geschwurbel gewöhnt ist, der kann wohl nicht anders, als auch im Heiligen Land gerüttelten Unsinn zu erzählen. Das gilt auch für Probst Wolfgang Schmidt. Und es passiert sogar, wenn man CDU-Landtagsabgeordneten aus Niedersachsen die israelische Welt erklären will.
Für Schmid ist die Lage klar – die Israelis sind die Bösen, die Araber die Guten. Die Guten werden unterdrückt, selbst wenn sie Bürger Israels sind. Zum Beispiel, weil Araber „keinen Militärdienst leisten dürfen“. Das versperre ihnen später den Zugang zu den wirklich guten Jobs. Das stimmt zwar nicht, macht sich aber gut, um zu zeigen, wie böse die Israelis doch sind. Richtig ist nämlich: Natürlich dürfen arabische Staatsbürger Israels freiwillig Militärdienst leisten. Viele tun das auch.
Dass Schmidt es in dieser Sache nimmt, wie er es braucht, zeigt sich sich später, als er über die Situation der Christen im Heiligen Land spricht. Die Israelis würden die christlichen Araber ihren muslimischen Brüdern entfremden wollen – etwa indem es eine Kampagne gäbe, Christen zum Wehrdienst zu bewegen. Nachfrage: „Aber dieser Wunsch kommt doch aus der christlichen Gemeinde selbst? Was ist falsch daran, sich in die israelische Gesellschaft zu integrieren?“ Antwort: Zunächst ein Stottern, dann die Mär von einer israelischen Verschwörung zu Spaltung der arabischen Bevölkerung. Wenn die Antwort gelautet hätte: „Christen sollen grundsätzlich keine Waffen tragen“, dann wäre das aus christlicher Überzeugung heraus verständlich gewesen. So bleibt ein schaler Beigeschmack. Propaganda eben.
Vom deutschen Probst an der von Kaiser Wilhelm II. gebauten Erlöserkirche bleibt am Ende dieser Eindruck: Man muß das Land, in dem man zu Gast ist, nicht lieben. Aber bei der Wahrheit bleiben, sollte man schon.