Worte wie Projektile (3) – „Respekt“

by Alexander Will

So viel Konflikt war selten: In Deutschland bilden sich politische Fronten, wie noch nie nach 1945. Carl Schmitt würde sich bestätigt fühlen – die Freund-Feind-Kategorien ist jetzt Maßstab alles Redens und Handelns. Es geht nicht darum, den anderen zu überzeugen. Es geht darum, ihn zum Schweigen zu bringen. Hier werden Begriffe zu Waffen. Scharf aufgeladen sind sie die tödlichen Projektile an der Front des geistigen Bürgerkriegs. Heute: „Respekt“.

„Respekt“ verlangt heute jeder Hühnerdieb. Ob Kevin oder Justin, ob Ali oder Ahmed – selbst wenn sie mit einem Bein im Jugendknast stehen – „Respekt“ fordern solche  Figuren immer ein. Nur – warum soll man ihnen Wertschätzung, Anerkennung, Aufmerksamkeit oder Hochachtung entgegenbringen? Ausschließlich weil sie existieren?

Das ist natürlich Unfug. Der Respekt vor einem Menschen oder auch einer Institution bemisst sich völlig natürlich nach den Handlungen. Wer sich ehrlos verhält, verdient keinen Respekt. Eine Institution, die Menschen Schaden zufügt ebenso wenig. Während aber selbst Menschen, die jeden Respekt verspielt haben, ihre ihnen natürlich zustehenden Menschenrechte behalten, sieht das im übertragenen Sinne im Falle von Institutionen ganz anders aus. Zum Sturz oder zur Auflösung derartiger Einrichtungen darf man mit gutem Recht aufrufen, sich um ihre Beseitigung bemühen.

In der politischen Debatte hat „Respekt“ jedoch eine völlig andere Bedeutung erlangt. Wer „Respekt“ für irgendetwas oder irgendjemanden fordert, will ihn heute in aller Regel von jeglicher Kritik ausnehmen. Als „respektlos“ wird dann im Gegenzug jegliche Kritik an Taten oder Eigenschaften gebrandmarkt. „Respekt“ ist in der Politik so etwas wie ein Naturschutzzeichen geworden: Es wird überall dort angenagelt, wo man Tabus schaffen will – sei es bei der Einwanderung, sei es in der Genderideologie, sei es in der Hartz-IV-Diskussion, sei es bei der Kritik an Parteien oder staatlichen Einrichtungen oder religiösen Praktiken. Besonderes letzteres ist sehr in Mode, wenn es um den Islam geht.

Allerdings funktioniert die Sache mit dem „Respekt“ ausschließlich als Einbahnstraße. Dem politischen Gegner wird man nämlich in der Regel keinen „Respekt“ erweisen, sondern ihn darf man nach Lust und Laune bekämpfen, diffamieren und verunglimpfen. Das gilt übrigens für alle politischen Richtungen gleichermaßen und insbesondere für die Extreme. Der Neonazi wie der Antifa-Schläger fordert „Respekt“ für sich, seine Gruppe und deren Überzeugungen. Wer außerhalb steht, hat den nicht zu erwarten – nicht einmal den Respekt seiner körperlichen Unversehrtheit, der selbst dem verworfensten Übeltäter und ehrlosesten Schweinehund zusteht.

Merke: Wer in der politischen Welt „Respekt“ fordert, will in der Regel ein Tabu schaffen. Die Forderung nach „Respekt“ ist defensiv und gleichbedeutend mit dem Verlangen einen Vorgang, eine Institution oder einen Akteur mit Kritik zu verschonen, ein Tabu zu etablieren. Wird dir Respektlosigkeit vorgeworfen, bist du oft auf dem richtigen Weg zur Wahrheit. Wird „Respekt“ gefordert, lohnt es in der Regel, eine weitere Breitseite abzuschießen. Hier ist die Festung bereits morsch.

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