Worte wie Projektile (6) – Umverteilung
by Alexander Will
So viel Konflikt war selten: In Deutschland bilden sich politische Fronten, wie noch nie nach 1945. Carl Schmitt würde sich bestätigt fühlen – die Freund-Feind-Kategorien ist jetzt Maßstab alles Redens und Handelns. Es geht nicht darum, den anderen zu überzeugen. Es geht darum, ihn zum Schweigen zu bringen. Hier werden Begriffe zu Waffen. Scharf aufgeladen sind sie die tödlichen Projektile an der Front des geistigen Bürgerkriegs. Heute: ,,Umverteilung“
„Umverteilung“ ist im Grunde ein neutraler Begriff. Er bezeichnet ja nur einen Vorgang: Materielle Güter werden von einem Besitzer zum anderen transferiert. Es kann Umverteilung von Arm zu Reich geben – ebenso wie von Reich zu Arm. Allerdings schwingt im Begriff Gewalt mit. „Umverteilung“ ist jedenfalls ein aktiver Prozess, der gegen den Willen dessen stattfindet, dem dabei etwas weggenommen wird.
In Sozialstaats-Deutschland ist „Umverteilung“ allerdings zu einem ausschließlich positiv besetzten Begriff geworden. Längst schon hat sich in diesem Land eine Vorstellung eingebürgert, in der wohlhabende Menschen als verdächtig, moralisch fragwürdig und in jedem Fall legitime Quelle von Umverteilung betrachtet werden. Der „Reiche“ ist die Melkkuh.
Die Leistung des Einzelnen, die notwendig war, um über einen bestimmten Besitz zu verfügen, das Talent, die Mühe und die Beharrlichkeit spielen in dieser Sicht keine Rolle. Großer Besitz ist darin per se verwerflich. Doch konzentriert sich der Umverteilungsfuror in Deutschland eben nicht nur auf Super-Reiche. „Reich“ ist man in Deutschland schon, bezieht man ein Einkommen von etwas mehr als 100 000 Euro im Jahr, und damit ist man dann auch einer derjenigen, die zwecks Umverteilung bluten müssen.
Nutznießer sind in der Regel diejenigen, denen zielstrebige Arbeit kein vertrauter Begriff ist, die sich durch eigenes Handeln in schwierige Situationen gebracht haben oder die sich – angezogen von der Umverteilungskultur und den damit einhergehenden weitgehenden und leicht zugänglichen Sozialleistungen – nach Deutschland begeben haben.
Weil aber Umverteilung immer mit Zwang und Gewaltdrohungen verbunden ist – gibst du nicht ab, sperren wir dich ein – hat sie eben nichts mit Robin-Hood-artiger Herstellung von „Gerechtigkeit“ zu tun. In Wirklichkeit ist sie ein Ausdruck moderner Sklaverei. Besitz ist in der Regel Resultat von Arbeit. Und ja – auch Investitionen an der Börse sind Arbeit. Wem aber der Ertrag seiner Arbeit abgenommen wird, der arbeitet umsonst für andere. Wer unter Zwang für andere arbeitet, ist, mindestens zum Teil, Sklave.
Merke: „Umverteilung“ ist im Grunde Raub. Wie er heute gebraucht wird, ist der Begriff daher weder neutral noch positiv zu verstehen. Wer in Deutschland nach Umverteilung schreit, ruft im Grunde zur Plünderung seiner Mitmenschen auf. Darauf hinzuweisen, ist allerdings zwecklos. Der deutsche Neid hat die gesetzlich getarnte Plünderung des „Reichen“ zum erstrebenswerten Zustand werden lassen. Man suche also besser nach Wegen, sich dieser Ausplünderung zu entziehen.
Guter Beitrag, Herr. Dr. Will.
Dem ist meines Erachtens nur eines hinzuzufügen: In Ihrem Beitrag geht es um Umverteilung hinsichtlich materiellen Besitzes, aber es ist dazu gekommen, daß auch die Zusammensetzung von Mitgliedern politischer Institutionen umverteilt werden muss, wenn der Wählerwille dem progressiven bzw. feministischen Dogma zuwiderläuft.
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