Radikales Denken: Ayn Rands Philosophie ist so faszinierend wie fürchterlich

by Alexander Will

Ayn Rand (Alissa Rosenbaum, 1905-1982)

Wenn ich mich dem Denken eines Menschen nähere, dann geht es meist zu Beginn so zu: Entweder überfällt mich das kalte Grausen, und ich empfinde völlige Ablehnung, oder ich kann etwas damit anfangen und versuche, in das Innere des Kaninchenbaus vorzubringen. Bei Ayn Rand war das anders. Ich wußte ganz einfach nicht, was ich davon halten sollte, fühlte mich angeekelt und angezogen zugleich. Also ließ ich Frau Rand links liegen und widmete mich anderen Dingen.

Das war vor fast 20 Jahren.

Jüngst stieß ich wieder auf sie, und angesichts der Zustände in Deutschland haben ihre Ideen ganz sicher an Attraktivität gewonnen. Noch immer abstoßend ist allerdings ihr massiver, aggressiver Atheismus. Ayn Rand tendiert dazu, religiöse Menschen als gehirnamputierte Affen zu betrachten, die nur in einem Zoo eine Existenzberechtigung haben. Ihre zwanghafte Verweigerung, Erkenntnis anzuerkennen, die nicht dem logischen Denken des Menschen entstammt, ist eine Verkürzung der Substanz des menschlichen Wesens. Rand muß in ihrem eigenen Leben viel entgangen sein,  wenn sie tatsächlich danach gehandelt haben sollte.

Andererseits ist die bei ihr radikal ausformulierte Idee der Freiheit faszinierend. Zur Stunde mag man sagen: Das ganze Leben nach ihrer Philosophie, dem Objektivismus, auszurichten, führt zur Kastration des eigenen Wesens. Wendet man aber ihre Grundsätze auf die Ökonomie und auf den Staat an, tun sich faszinierende Perspektiven des Denkens auf. Vielmehr noch: Hier gibt es Grundsätze, die dem müde gewordenen Deutschland Beine machen und jedem einzelnen Menschen Perspektiven jenseits des Fürsorgestaates eröffnen könnten. Hier gilt es, tiefer vorzudringen.